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MACHFELD (Sabine Maier & Michael Mastrototaro)  
  Wonder
Die Fischerstiege
 
Eine der ältesten Sagen meldet, es sei schon um das Jahr 882 auf dem Hügel hart an der Donau, am Gestade - im Munde des Volkes auf der Gestatten, wie diese Stadtgegend noch genannt wird - gegen die obere Donauinsel Roßau durch die Andacht der Fischer, Schiff- und Kaufleute eine Kapelle zu unserer lieben Frau entstanden. Von der Stelle, wo die Schiffe landeten und wo die Waren, vorzüglich Salz, am kiesigen Ufer ausgeladen wurden - woher der Name Salzgries entstand -, am Fuße des Berges stiegen diese Leute auf dem Steige auch zum alten Ruprechtskirchlein hinauf oder näher über die von den Fischhändlern erbaute Stiege, die Fischerstiege, zu dieser Marienkapelle am Gestade, oder Mariastiege.
 
Man sieht hieraus, dass die Fischerstiege der älteste Teil der Stadt ist, von wo die Fischer und Schiffleute, die Bewohner derselben mit Lebensmitteln, vorzüglich mit Fischen, versorgt wurden. Auch der Name Fischerstiege ist uralt und kommt schon in den frühesten Urkunden als ad gradus piscatorum vor. Er besteht heute noch und ist auf das Haus Nr. 369 übergegangen, worauf sich ein uraltes im Jahr 1839 aufgefrischtes Wandgemälde befindet, eine brückenartige Stiege und die Bibelstelle vom Fischzuge Petri vorstellend, mit der Unterschrift:
 
Dieses Haus steht in Gottes Hand
Zur Fischerstiege wird es genannt.

 
››Quelle: Realis (=Gerhard Cockelberghe-Duetzele), Geschichten, Sagen und Merkwürdigkeiten aus Wiens Vorzeit, Wien 1846, S. 440;‹‹
 
Seemannsgarn
 
Seemannsgarn hergeleitet von Schiemannsgarn sind Erzählungen der Seeleute über deren (angebliche) Erlebnisse. Das Schiemannsgarn wurde aus alten Tauen gewonnen und von den Seeleuten benutzt, Leinen und Trossen zu umwickeln. Schiemannsgarn drehen oder Schiemannsgarn spinnen war auf Segelschiffen eine untergeordnete Arbeit, die bei Schönwetter erledigt wurde. Weil sie recht langweilig war, erzählten sich die Seeleute unterdessen, was sie erlebt hatten und worüber sie sich Gedanken machten, Sagen, Schwänke und Döntjes gehörten dazu. Auf diese Weise bekam Schiemannsgarn spinnen mit der Zeit eine andere Bedeutung: Das Erzählen wurde Hauptsache, die Arbeit Nebensache, bis man das Erzählen allein so bezeichnete. In jüngerer Zeit ersetzte Seemannsgarn spinnen oder kurz Garn spinnen die alte Redewendung und unter echtem Seemannsgarn versteht man jene Erlebnisberichte von Seeleuten im Grenzbereich zwischen Wahrheit und Phantasie, die alle etwas undurchsichtig, aber glaubhaft-eindrucksvoll sind: Allerdings weiß der Zuhörer nie genau, ob er auf den Arm genommen wird oder nicht. Oft wird der Wahrheit soviel hinzugedichtet, dass aus einem kleinen Fisch ein Monsterhai wurde oder Riesenkraken ganze Schiffe ins Verderben zogen. Zum Seemannsgarn gehören auch die Erzählungen über den Klabautermann und unheimliche Geschichten, z.B. über "Magnetberge", welche die Schiffe anziehen und zerschellen lassen oder Schiffsfriedhöfe im offenen Meer (entstanden durch die Sargassosee im Atlantik mit ihren Schlingpflanzen). Modernes Seemannsgarn bezieht sich oft auch auf Geschichten über UFO-Sichtungen und Verschwinden von Schiffen im Bermuda-Dreieck.
 
Das Projekt
 
Lügen sind nur so gut, wie ihre Erfinder sie erzählen. Oft haben Lügen einen wahren Kern um sie glaubhafter gestallten zu können. Eine gute Lüge erfordert Phantasie, analytisches Denken, Kombinationsgabe, strategische Planung und ein gutes Gedächtnis. Während des eigentlichen Lügenaktes muss man sich unbedingt auf sein Gedächtnis verlassen können, denn man sollte sich sehr genau merken, was man gesagt hat, um sich nicht zu verhaspeln. Schauspielerisches Talent, atmosphärisches Feingefühl und Flexibilität sind nötig, weil es trotz perfekter Planung zu Unwägbarkeiten kommen kann. Entscheidungs- und Risikofreude sind mitzubringende und unabdingbare Eigenschaften. In Wonder werden vor Ort recherchierte Geschichten mit Phantasie geschmückt und zu ernsthaften Lügen ausgebaut. So wussten sie sicherlich nicht, dass auf der Fischerstiege nach einer alten Sage aus dem 11. Jahrhundert der Ritter Götz von Berlichingen den Terminus "Forelle blau" erfunden hat, indem er berauscht von Wein die Fischerstiege heruntergestolpert ist?
 
Umsetzung
 
Als permanente - visuelle Lüge fungiert die Montage eines Kunstrasens vertikal zu seiner üblichen Wachsrichtung (siehe Abbildung).
 
Eine glaubhafte Lüge wird, entlang des Kunstrasens, auf den Gehsteig geschrieben. Auf http://fischerstiege.mur.at/wonder.html können vom Publikum solche Texte weitergesponnen werden.
 
Zur Eröffnung am 21.9.2006
Wasser-Projektion an der Fischerstiege selbst und Projektion von fortgeschriebenem Seemannsgarn gegenüber der Raseninstallation, auf die Häuserwand.  | zurück


   
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